Die drei Weisen (der grossen Religionen) starrten einander an, unglaeubig, mit angehaltenem Atem.
Alle Augen richteten sich auf mich.
"Piscine" fragte der Imam ernst, "ist das wirklich wahr? Hindus und Christen sind Goetzendiener. Sie haben viele Goetter.
"Und Muslims haben viele Frauen" konterte der Pandit.
Der Blick des Priesters wanderte vom einen zum anderen. "Piscine", fluesterte er beinahe, " nur Jesus kann deine Seele retten."
"Dummes Geschwaetz" fuhr der Pandit ihn an. "Christen wissen nichts von Religion."
"Schon vor langem sind si vom Pfade Gottes abgekommen", pflichtete ihm der Imam bei.
"Wo ist denn Gott in eurer Religion?" schnaubte der Priester. "Ihr habt doch nicht ein einziges Wunder, das beweist, dass es Gott ueberhaupt gibt. Was ist denn das fuer ein Glaube, bei dem es keine Wunder gibt?"
"Es ist eben kein Zirkus, bei dem die Toten aus den Graebern huepfen! Uns Muslims ist das Wunder des Lebens gut genug. Ein Vogel in den Lueften, ein Regentropfen, die Aehren auf dem Felde-das sind unsere Wunder."
"Nichts gegen Regen und Federvieh, aber wir wollen doch wissen, ob Gott mit uns ist."
"Tatsaechlich? Na, Gott hat ja gesehen, was er davon hatte, als er mit euch war - umbringen wolltet ihr ihn! Mit dicken Naegeln habt ihr ihn ans Kreuz geschlagen. Behandelt ein anstaendiges Volk so seine Propheten? UNS hat der Prophet Mohammed - Friede sei mit ihm - das Wort Gottes ohne erbaermlichen Firlefanz gebracht, und er ist als alter Mann gestorben."
"Als ob das Wort Gottes einem jaemerlichen Kaufmann in der Wueste offenbart wuerde! Epileptische Anfaelle hat er gehabt, vom SChwanken des Kamels: das hat nichts Gott zu tun. Oder es war ein Sonnenstich."
(weiter ab Seite 122)
Wer ist hier im Zoo? Ich mit den erdfarbenen Travellerklammotten, den ausgelatschten und zweifach reparierten Ledersandalen, der Kameratasche ueber der Schulter und dem roten Kopftuch das manch inder wie ein verkappter Turban erscheinen mag. Oder sind es die Menschen, die ich aus Rikscha und Zug sehe, beschaeftigt mit Alltagskram oder einfachem Zeit vertreiben.
Immer wieder fokussiere ich Menschen durch die Linse und so werden sie zu Objekten. Aber dann sind da all die Inder, die - teilweise mit offenem Mund - starren und so minutenlang mein Handeln verfolgen. Wenn ich mich mit anderen Westlern unterhalte, hoeren sie zu. Also, wer beobachtet hier wen? Wer wird hier ausgestellt und praesentiert?
Die Welten verschwimmen. Der eigene Standort ist unsicher. Wer sitzt im Kaefig. Das Gefuehl des Beobachtens und beobachtet werden ist aber omnipraesent. Es besteht eine Grenze, eine Mauer, ein Zaun zwischen uns. Ob man nun drinnen oder draussen ist, oder es vielleicht auch beide sind.
"Bapu Gandhi sagt, alle Religionen sind wahr", plapperte ich (Pi) los. "Ich will doch nur Gott lieben." Ich blickte zu Boden und wurde rot im Gesicht.
Das sind zwei positive Beispiele, von denen ich noch mehr erfahren habe. Satt bin ich trotzdem noch nicht. Die Entscheidung hier und dort auf einen "wichtigen Spot" eine weitere Beruehmtheit zu verzichten und dafuer Zeit fuer Spontanitaet zuzulassen ist meiner Ansicht nach der richtige Weg, um den Kaefig zu entfernen.
Morgen frueh geht es auf jedenfall wieder in den Kaefig - das Taj Mahal in Agra (suedlich von Delhi). An der Informationstafel wird stehen: "Ein Rudel gewoehnlicher Homo touristo. Ganztaeglich aktiv. Trinkt viel Wasser und Cola. IMMER gekuehlt aus der Flasche. Geniesst es seinen Fotoapparat zu benutzen und produziert endlos digitalen muell. Bitte nicht staendig nach seiner Herkunft oder seinem Namen fragen, da sonst irgendwann gereizt."
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